384 Seiten
gebunden mit Schutzumschlag
13,7 x 21,7 cm
17.09.2015
Zwischen Würde
und Gewalt – eine deutsche Geschichte
»Mir kommt es
hoch. Es ist schlimm, die unverdaute Vergangenheit nicht erbrechen zu können.
Heute werde ich den Gedanken nicht los, dass wir alle durch die Hölle müssen,
um uns selbst zu erkennen.« Alexander von Gersdorff, der Protagonist im
bildgewaltigen neuen Roman der Schweizer Bestsellerautorin, findet erst in
Japan einen Weg, sich seiner Schuld und den Erfahrungen des Ersten Weltkrieges
zu stellen. Meisterhaft und berührend schildert das Buch die Kraft der Musik
und den nie endenden Wunsch des Menschen nach Freiheit.
1914. Als
Student meldet sich Alexander von Gersdorff bei Kriegsausbruch freiwillig, das
Schicksal verschlägt ihn mit seinem Regiment nach China. Das Töten und die
Gewalt bringen Alexander an den Rand des Wahnsinns. Erst die Begegnung mit dem
Nachkommen eines Samurai in dem japanischen Gefangenenlager Bando, das große
Berühmtheit wegen seiner relativ humanen und liberalen Gefangenenbehandlung
erlangte, und die Aufführung von Beethovens Neunter Sinfonie hinter
Stacheldraht geben seinem Leben eine neue Wendung. Mitreißend und einfühlsam
schildert Federica de Cesco den Weg aus Schuld und Verstrickung hin zu einem
mündigen Dasein.
Interview mit
der Autorin:
Eine deutsche Biografie aus fernöstlicher Sicht, in der es um Freiheit und
die Würde des Menschen geht: Die neunte Sonne spielt vor
dem Hintergrund der Katastrophe des Ersten Weltkrieges. Ist Ihr neues Buch
auch eine Rückschau auf deutsche Geschichte?
Die Familie meines Protagonisten Alexander von
Gersdorff ist tief zerrüttet und zugleich sehr standesbewusst, legt Wert
auf Prestige, Distinktion und einen guten Ruf. Nichts Negatives darf nach
außen dringen. Das Militär wird verherrlicht. Die Erziehung der Kinder ist
streng, ihre Persönlichkeit wird frühzeitig unterdrückt. In dem Buch hält
Alexander Rückschau auf sein Leben. Er erlebt die Verlogenheit
der Gesellschaft, lehnt sich dagegen auf und bezahlt einen hohen Preis.
Im Mittelpunkt Ihrer großen Bestseller standen bislang immer starke
Frauen. Warum haben Sie diesmal einen männlichen Protagonisten gewählt?
In meinen früheren Büchern spielten Männer ja immer eine wesentliche
Rolle. Aber die Geschichten wurden zumeist aus weiblicher Sicht erzählt.
Die Männer in meinen Büchern sind stets »emanzipiert«. Ich will damit
sagen, dass sie in erster Linie »menschlich« und dann erst »männlich«
denken. Sogar Alexander, der mit allen Wassern gewaschen ist, zynisch und
brutal sein kann, ist – im Grunde – ein gutherziger und sensibler Mensch.
Sein Leben steht im Zeichen einer Suche. Alexanders Ziel ist durch das
Schicksal vorherbestimmt, auch wenn der Weg durch Krisen und Zweifel und
existenzgefährdende Prüfungen führt, in denen er sich bewähren muss.
Gerade durch die Verbindung mit Frauen (seine Jugendliebe Darina,
die rebellierende jüngere Schwester Amanda und seine japanische Ehefrau
Yae) erreicht er eine höhere Stufe des Bewusstseins.
Was hat es mit der Aufführung von Beethovens Neunter Sinfonie in dem
japanischen Kriegsgefangenenlager Bando auf sich?
Das Lager Bando wurde von Toyohisa Matsue gegründet, der Nachkomme
eines ruhmreichen Samurai-Geschlechtes, der zu den fortschrittlichsten
Humanisten seiner Zeit gehörte. Die Japaner erinnern sich, dass die
Sinfonie zum ersten Mal in ihrem Land am 1. Juni 1918 in diesem
Kriegsgefangenenlager aufgeführt wurde. Mir fiel auf, dass dies in Europa
nur wenige wissen. In Japan wird die Neunte sehr verehrt. Sie ist eine wunderbare,
einzigartige und nahezu provozierende Utopie, die auch in unserer Zeit
nichts von ihrer Geltung verloren hat. Alle Menschen spüren das und sind
ergriffen.
Werden Sie jemals aufhören zu schreiben?
Bei meinem letzten Atemzug werde ich mir sagen: Ach, wie dumm, ich
sollte das Kapitel ja noch zu Ende schreiben!