Gottes Umzug ins Ich

Die großen Fragen des Menschseins sind auch die großen Fragen der Psychotherapie. Malte Nelles folgt ihnen auf einem für die Psychologie neuen, weitgehend unbetretenen Weg: Er betrachtet den Menschen in der Praxis nicht nur als Kind seiner Eltern, sondern ebenso als Kind seiner Zeit, Geschichte und Kultur. Seine Tiefenpsychologie des modernen Menschen mündet in der ebenso einfachen wie verstörenden Einsicht, dass wir nach wie vor ein Kind des christlichen Gottes sind. Als direkte Nachfahren wirkt sein Erbe tief im seelischen Unbewussten unserer Kultur und damit in jedem Einzelnen von uns. Gott ist nicht „tot", wie von Nietzsche diagnostiziert. Er ist umgezogen ins psychologische Ich des modernen Menschen, der in der Folge hiervon psychisch überfordert ist. Der heutige Anspruch, sich selbst zu erschaffen, verdeckt die existenzielle und spirituelle Leere, in der wir leben, die ihren Ausdruck im drastischen Anstieg seelischen Leidens in der heutigen Zeit findet; deshalb stellt seelische Gesundheit wahrscheinlich die größte medizinische Herausforderung des 21. Jahrhunderts dar. Das überbordende Angebot an psychologischer Ratgeberliteratur und Populärphilosophie belegt das große Interesse zu Fragen der Lebensgestaltung und Zusammenhängen zwischen allgemeiner Kultur und persönlichem seelischem Erleben.

Die gängige klinische Psychologie wird dem modernen Phänomen der psychischen Volkskrankheiten nicht gerecht, wenn sie deren Ursachen ausschließlich in der persönlichen Lebensgeschichte des Patienten sucht. In diesem Buch geht Malte Nelles tieferen historischen und kulturellen Gründen für die heutige Situation des Menschen nach und versucht, nicht nur eine neue Perspektive für die Psychologie zu entwickeln, sondern ebenso Inspiration für persönliche Lebensfragen zu geben. Denn der Gottmensch, der wir geworden sind, ist neurotisch und damit reif für eine Therapie. In diesem Buch erzählt er seine Geschichte.