160 Seiten
gebunden
13,5 x 21,5 cm
28.05.2021
Ausgezehrt, leb- und konturlos: Die sich auflösende Mitte der Gesellschaft
Die Suche der Deutschen nach ihrer Identität ist notorisch, geradezu sprichwörtlich. Immer wieder kommt es zum letztendlich ergebnislosen Streit über Begriffe wie Nation, Heimat und Leitkultur. Trotz aller historischen Veränderungen, nach zwei Weltkriegen, deutscher Teilung, Europäischer Union, Mauerfall und glücklicher Wiedervereinigung ist das Selbstbewusstsein der Deutschen immer noch von Extremen geprägt: einerseits diffus und unsicher, andererseits radikal und ideologisch – zwischen moralischem Größenwahn und peinlicher Selbstverleugnung.
Während die Talkshow-gestützte Daueraufgeregtheit so pandemisch geworden ist wie das Coronavirus, hat es eine realistische Selbstwahrnehmung im globalen Kontext umso schwerer. Die mediale Empörungskultur samt Twitter, Facebook & Co., verstärkt durch den linksgrünen Zeitgeist politischer Korrektheit, fördert einseitige, vermeintlich einzig wahre Sichtweisen bis hin zu absurden Verschwörungstheorien. Vor lauter Rassismus, Sexismus, Rechtsextremismus und Nationalismus erkennt manch braver Bürger sein eigenes Land nicht wieder.
Für die bundesdeutsche Demokratie sind das alles bedrohliche Entwicklungen. Ohne eine vernunftgeleitete Wahrnehmung der Wirklichkeit verliert sie ihr Fundament. Reinhard Mohr beschreibt eindrucksvoll, warum es nach 75 Jahren erfolgreicher demokratischer Entwicklung in Deutschland immer noch an republikanischem Selbstbewusstsein mangelt. Im Zentrum steht die Frage: Wo ist – zwischen rechts- und linksaußen, AfD und Antifa – eigentlich die politische Mitte geblieben, die so ausgezehrt, leblos und konturlos wirkt? Wofür stehen eigentlich CDU und CSU nach 16 Jahren Kanzlerschaft von Angela Merkel? Erst recht die SPD?