Dr. phil. Christian Hardinghaus

Ferdinand Sauerbruch und die Charité

Operationen gegen Hitler

248 Seiten
gebunden mit Schutzumschlag
mit ca. 20 Fotos und Abbildungen
13,7 × 21,7 cm
WG 1947


20,00 € (D) / 20,60 € (A) inkl. MwSt.
ISBN ISBN 978-3-95890-236-7

Ferdinand Sauerbruch, NS-Sympathisant oder Widerstandskämpfer? – Die sensationelle Biografie des größten deutschen Chirurgen
 
 
Ungeachtet seiner medizinischen Verdienste zählt Ferdinand Sauerbruch zu den umstrittensten Ärzten der Zeitgeschichte. In den Jahrzehnten nach dem Krieg dominierte in den Medien ein positives, fast heroisches Bild des Menschen und Mediziners, der ab 1928 als Professor für Chirurgie an der Berliner Charité arbeitete. Dafür gesorgt hat er selbst durch seine mit fiktionalen Inhalten angereicherte Biografie Das war mein Leben, in der er sich überwiegend als »Halbgott in Weiß« darstellen lässt. Erst seit Beginn dieses Jahrhunderts wird dieses Bild erschüttert, wirft man ihm Sympathie, ja sogar Zusammenarbeit mit den Nationalsozialisten vor.
 
Christian Hardinghaus hat für Ferdinand Sauerbruch und die Charité neue unveröffentlichte Quellen erschlossen – darunter das bisher geheime Tagebuch von Sauerbruchs Assistenten Adolphe Jung – und zahlreiche Berichte, Briefe, Interviews und persönliche Erinnerungen von Mitarbeitern und Freunden studiert. Herausgekommen ist dabei nicht nur die erste umfassende Biografie des bedeutenden Chirurgen, sondern auch seine Rehabilitation: Ferdinand Sauerbruch unterstützte eine Widerstandsgruppe um den Spion Fritz Kolbe, die sich an der Charité gebildet hatte, und war auch in die Attentatspläne Stauffenbergs eingeweiht. Bis Kriegsende behandelte er nicht nur »verbotenerweise« Juden, sondern versteckte sie und andere Verfolgte des Naziregimes in der Charité vor der Gestapo. Aufgrund dieser neuen Erkenntnisse muss die bisherige Beurteilung von Sauerbruchs Haltung gegenüber dem NS-Regime neu bewertet werden.
 
Anlässlich der 2. Staffel der erfolgreichen TV Serie Charité erscheint im Europa Verlag eine sensationelle Biografie über Ferdinand Sauerbruch
• Die erste umfassende Biografie über Ferdinand Sauerbruch mit neuen Fakten über sein Wirken im NS-Regime und die Widerstandsgruppe an der Charité um Fritz Kolbe
• Unter Berücksichtigung des wiederentdeckten Tagebuchs des persönlichen Assistenten Dr. Adolphe Jung

 
»Der faszinierendste Arzt, mit dem ich mich je beschäftigt habe.«
Ein Gespräch mit Dr. Christian Hardinghaus
 
Wer war Ferdinand Sauerbruch?
Zunächst einmal war Ferdinand Sauerbruch einer der bedeutendsten Ärzte der jüngeren Geschichte. Ihm verdankt die moderne Medizin, dass Operationen am offenen Brustkorb möglich sind. Er rettete Millionen Menschen das Leben oder die Gliedmaßen. Daneben zählt der Chirurg aber auch zu den umstrittensten Ärzten des 20. Jahrhunderts und wird besonders für seine Position im Nationalsozialismus skeptisch betrachtet. Die Vorwürfe, die ihm vor allem seitens der Medien oft gemacht werden, reichen von Duldung über persönliche Bereicherung bis hin zur Unterstützung des NS-Regimes.
 
Was hat Sie bewogen, selbst eine Sauerbruch-Biografie zu schreiben?
Vor vier Jahren wurde Sauerbruch Thema in meiner medizingeschichtlichen Kolumne. Da es keine umfassende Biografie über ihn gab, machte ihn das für mich besonders geheimnisvoll. Sauerbruchs kurz vor seinem Tode 1952 von einem Ghostwriter geschriebene Autobiografie Das war mein Leben ist völlig unkritisch; das erklärt, warum sich bis heute so viele Mythen und Legenden über Sauerbruch halten. Als Historiker wollte ich unbedingt erfahren, was diesen Menschen zu einem Arzt der großen Gegensätze macht und wie es sein kann, dass man ihn als Nazi-Sympathisanten bezeichnet. Der Fokus meines Buches liegt demnach auf seinem Wirken im Nationalsozialismus, aber dafür musste ich ihn als Mensch auch in der Zeit davor und danach betrachten. So habe ich Sauerbruch sehr umfangreich studiert, analysiert und beschrieben und bin zu eindeutigen Ergebnissen gekommen, nämlich der Rehabilitierung des zu Unrecht als NS-Täter bezeichneten Mannes.
 
Auf welche neuen Quellen sind Sie denn gestoßen?
Die wichtigste bislang unentdeckte Quelle ist das Tagebuch des engsten Sauerbruch-Assistenten zwischen 1942 und 1945: Adolphe Jung, ein zwangsverpflichteter Arzt aus dem Elsass, der in Berlin bald den Kontakt zum Widerstand gesucht und sich gemeinsam mit Fritz Kolbe gegen die Nazis aufgelehnt hat. Frank Jung, der Sohn Adolphe Jungs, hat mir das Tagebuch für meine Recherchen überlassen: Sauerbruch wird hier beschrieben als ein Mann, der Hitler zutiefst verabscheute, der bis Kriegsende Juden in seiner Klinik versteckte und der Menschen, die von der Gestapo gesucht wurden, zur Flucht verholfen hat. In der oppositionellen Mittwochsgesellschaft hatte Sauerbruch einen stärkeren Einfluss als bisher angenommen. Er wusste um das Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 und deckte die Verschwörer rund um Stauffenberg.
 
Was fasziniert Sie am meisten an Sauerbruch?
Am meisten beeindruckt mich, dass er alles für seine Patienten gab, nie jemanden im Stich ließ. Während viele Kollegen in den letzten Kriegswochen aus Berlin flohen, zog er mit seinem Team in die Keller der schon zerstörten Charité und operierte im Bombenhagel und unter unmenschlichen Bedingungen noch fast 3000 Schwerverletzte: deutsche und russische Soldaten, Zivilisten, Kinder, die durch Bomben oder Granaten verletzt worden waren.
 
Mit »Die Spionin der Charité« bringen Sie auch einen neuen Roman. Wer ist diese Spionin?
Lily Kolbe, wie sie in meinem Buch heißt, basiert auf der real existierenden Person Maria Fritsch, die während des Zweiten Weltkriegs Chefsekretärin Sauerbruchs und gleichzeitig die Verlobte und später die Ehefrau des Spions Fritz Kolbe war. Sie lebte und arbeitete in der Charité und gehörte auch zu einer dort operierenden Verschwörergruppe. Im Roman ist sie die Erzählerin einer dramatischen Spionagegeschichte.
 
Was unterscheidet Roman und Biografie?
Ich bin Historiker, aber auch Schriftsteller. Meine Leidenschaft sind spannungsgeladene historisch-zeitgeschichtliche Romane. Beides lässt sich sehr gut miteinander vereinbaren. Im vergangenen Jahr habe ich ein Sachbuch über die wahre Geschichte des Frontarztes Helmut Machemer herausgegeben, der in den Krieg zog, um seine »halbjüdische« Frau zu retten, und anschließend dazu den Roman Ein Held dunkler Zeit verfasst. Mich reizen unterschiedliche Genres. In einem Sachbuch oder in einer Biografie müssen alle Fakten stimmen; sie sind auf sich selbst beschränkt und können allein niemals die Wirklichkeit abbilden. Hier kommt der historische Roman ins Spiel, der auf überlieferten Fakten basiert, jedoch kann der Autor die dazwischenliegenden Lücken interpretieren und fiktional schließen.

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