Auf welche neuen Quellen sind Sie denn gestoßen?
Die wichtigste bislang unentdeckte Quelle ist das Tagebuch des engsten Sauerbruch-Assistenten zwischen 1942 und 1945: Adolphe Jung, ein zwangsverpflichteter Arzt aus dem Elsass, der in Berlin bald den Kontakt zum Widerstand gesucht und sich gemeinsam mit Fritz Kolbe gegen die Nazis aufgelehnt hat. Frank Jung, der Sohn Adolphe Jungs, hat mir das Tagebuch für meine Recherchen überlassen: Sauerbruch wird hier beschrieben als ein Mann, der Hitler zutiefst verabscheute, der bis Kriegsende Juden in seiner Klinik versteckte und der Menschen, die von der Gestapo gesucht wurden, zur Flucht verholfen hat. In der oppositionellen Mittwochsgesellschaft hatte Sauerbruch einen stärkeren Einfluss als bisher angenommen. Er wusste um das Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 und deckte die Verschwörer rund um Stauffenberg.
Was fasziniert Sie am meisten an Sauerbruch?
Am meisten beeindruckt mich, dass er alles für seine Patienten gab, nie jemanden im Stich ließ. Während viele Kollegen in den letzten Kriegswochen aus Berlin flohen, zog er mit seinem Team in die Keller der schon zerstörten Charité und operierte im Bombenhagel und unter unmenschlichen Bedingungen noch fast 3000 Schwerverletzte: deutsche und russische Soldaten, Zivilisten, Kinder, die durch Bomben oder Granaten verletzt worden waren.
Mit »Die Spionin der Charité« bringen Sie auch einen neuen Roman. Wer ist diese Spionin?
Lily Kolbe, wie sie in meinem Buch heißt, basiert auf der real existierenden Person Maria Fritsch, die während des Zweiten Weltkriegs Chefsekretärin Sauerbruchs und gleichzeitig die Verlobte und später die Ehefrau des Spions Fritz Kolbe war. Sie lebte und arbeitete in der Charité und gehörte auch zu einer dort operierenden Verschwörergruppe. Im Roman ist sie die Erzählerin einer dramatischen Spionagegeschichte.
Was unterscheidet Roman und Biografie?
Ich bin Historiker, aber auch Schriftsteller. Meine Leidenschaft sind spannungsgeladene historisch-zeitgeschichtliche Romane. Beides lässt sich sehr gut miteinander vereinbaren. Im vergangenen Jahr habe ich ein Sachbuch über die wahre Geschichte des Frontarztes Helmut Machemer herausgegeben, der in den Krieg zog, um seine »halbjüdische« Frau zu retten, und anschließend dazu den Roman Ein Held dunkler Zeit verfasst. Mich reizen unterschiedliche Genres. In einem Sachbuch oder in einer Biografie müssen alle Fakten stimmen; sie sind auf sich selbst beschränkt und können allein niemals die Wirklichkeit abbilden. Hier kommt der historische Roman ins Spiel, der auf überlieferten Fakten basiert, jedoch kann der Autor die dazwischenliegenden Lücken interpretieren und fiktional schließen.